Montag, 22. Januar 2007

Vergangenheit, die nicht vergehen will: Noelle-Neumann zum 90.


(Preuss. Staatsbibliothek)


Wieder ein Jubliar: Elisabeth Noelle-Neumann wurde 90 Jahre alt. Wer kennt sie nicht, die Demoskopin, die Helmuth Kohl stets eine wichtige Beraterin war und die noch in einem Alter, in der andere Längst im Seniorenheim sind, sich an öffentlichen Debatten in der Bundesrepublik beteiligt. Doch mit 90 Jahren hat man auch Zeiten erlebt, die weniger auf demokratische Öffentlichkeit denn heute Wert legten. Wo stand die "Dame vom Bodensee" in der bislang finstersten Zeit der deutschen Geschichte? Ein Dokument aus der Staatsbibliothek in Berlin wirft Fragen auf. Mit freundlicher Genehmigung des Autors gebe ich hier einen kuzen Artikel wieder, der im studentischen Weblog "Publzistik-in-Berlin" veröffentlicht wurde.


Der Stabi-Fund: Wie braun ist Allensbach? von: Martin Merl

Unter dem Sigel Ae 569/60-N.F.,A,16 liegt in der Staatsblibliothek zu Berlin, Stiftung Preussischer Kulturbesitz ein brisantes Dokument. Brisant für die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Deutschland. Heute allerdings nurmehr von Fachhistorikern beachtet: die Druckschrift enthält die Dissertation der Allensbach-Gründerin Elisabeth Noelle-Neumann. Diese reichte im Jahre 1940 unter damals noch ihrem Mädchennamen eine Untersuchung zur "Massenbefragung in den USA" ein. Zur Pikanterie gerät der inzwischen weit in den Hintergrund des kollektiven Gedächtnisses gerückte Vorgang, durch die Umstände der Zeit. Das NS-Regime hatte bereits das blutige Schlachten in Europa begonnen, Juden waren in Deutschland und den eroberten Gebieten längst Freiwild, da legt Noelle diese mit Unterstützung des Propagandaministeriums zustande gekommene Schrift vor. Gewiß wusste sie um die Gefährlichkeit des Demagogen Goebbels, von dessen Behörde die junge, aufstrebende Wissenschaftlerin profitierte.

Doch das Forschungsvorhaben wollte unter schwierigen Bedingungen realisiert werden. Es galt da mehr als nur ein Auge zuzudrücken . Ein Kuschelkurs mit dem Regime schien da ratsamer denn studentische Oppositon vom Schlage der Geschwister Hans und Sofie Scholl. Nein, eine Heldentat war die Abfassung dieses Stückes Propaganda-Forschung gewiss nicht. Nach dem Kriege war der Begriff "Propaganda" diskreditiert. Dr. Elisabeth Noelle betrieb fortan "Demoskopie", was man übersetzen kann mit "Beobachtung des Volkes". Das NS-Parteiorgan "Völkischer Bebachter" war zu derzeit längst ungute Geschichte...



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